Hildegard von Bingen

Warum sie mir so wichtig ist …

Wie die meisten HeilpraktikerInnen lernte ich Hildegard von Bingen während meiner Ausbildung kennen. Da wurden Texte von ihr zitiert oder Produkte angepriesen.
Im „modernen Antiquariat“ bzw. auf dem Grabbeltisch erstand ich das eine oder andere Buch, das mit dem Titel „Hildegard von Bingen“ lockte; da gab es Ernährungslehren, Steinkunde, Kräuterbücher und Kalender.
Eine wirkliche Besonderheit konnte ich nicht erkennen – Hildegard von Bingen erschien mir lediglich als eine weitere Vertreterin der Klostermedizin.
Auffällig fand ich aber schon damals, dass mit dem Namen bzw. der Marke „Hildegard“ wohl Geld zu machen sei. (Das hat sich bis heute nicht geändert – sehr zum Leidwesen des Klosters St. Hildegard, die von dem ganzen Geld nichts sehen, weil sie ihre ehemalige Äbtissin nicht als MARKE haben schützen lassen!)
Als ich im Kräuterpark Stolpe einen Vortrag über Hildegard von Bingen hielt, war ich erstaunt wie viele Menschen als Zuhörer kamen! Alle wollten etwas über Dinkel und Nervenkekse erfahren. Für die Nonne schien sich niemand zu interessieren.

Einige Zeit ruhte auch mein Interesse an Hildegard, bis ich einen unglaublich schlechten (das muss man leider so sagen) Vortrag über sie hörte. Meine Neugier war aber geweckt, und ich lieh mir aus der Stadtbücherei alle Biografien über Hildegard aus. Ich wollte mehr über das LEBEN dieser Frau aus dem Mittelalter erfahren. Die Dinkelkeks-Rezepte waren mir völlig schnuppe.

Und dann passierte es einfach so – die Persönlichkeit dieser Frau trat aus den Büchern heraus, ihre Zitate berührten mich, die unglaubliche Aktualität ihrer VISIONEN, die Kraft ihrer Bilder!

(Ich muss dazu sagen, dass ich zwar getauft und konfirmiert bin, aber mit der Kirche, egal ob protestantisch oder katholisch, nicht viel zu tun habe.)

Der nächste Schritt war klar – ich will die Originale lesen!
Also habe ich mir Stück für Stück die Neuübersetzungen ihrer wichtigsten Werke aus dem Beuroner Kunstverlag gegönnt.
Die lese ich immer noch, immer wieder, zitiere daraus.

Im ersten Kapitel der SCIVIAS sprang der Funke über – einfache, quasi ewige Wahrheiten – und wunderschöne Miniaturen!

Hildegard sorgt sich um unser Seelenheil. Das klingt erstmal furchtbar altmodisch, aber ist in einer Zeit, in der Depressionen zu einer Volkskrankheit geworden sind, ist es enorm wichtig, dass die Seele/Psyche heil bleibt. Achtsamkeit ist das Motto – damals genauso wie heute!

Am meisten berührt mich das LIBER VITAE MERITORUM – das Buch der Lebensverdienste. Eine ältere Übersetzung davon trägt den Titel „Der Mensch in der Verantwortung“ – und das ist das Thema der heutigen Zeit!
Mittlerweile hatte ich die Ehre, die Übersetzerin der aktuellen Ausgabe dieser Visionsschrift, Sr. Maura Zátonyi OSB, bei einem Seminar in St. Hildegard in Eibingen kennen zu lernen. Sie hat es geschafft das mittelalterliche Latein in ein lesbares Deutsch zu übersetzen!

An Christi Himmelfahrt 2019 werde ich wieder zu einem Seminar in der Abtei sein. Das ist der Jahresurlaub für meine Seele. 🙂

Wenn ich zurück bin, dann möchte ich das Projekt „Gesprächskreis Hildegard von Bingen“ beginnen! Mal sehen, ob ich noch mehr Menschen begeistern kann.